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Sonderforschungsbereich 'Materiale Textkulturen' (933) der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Peterskirche: Grabplatte Olympia Morata

Wir betreten die Universitätskapelle im rechten Seitenschiff der Peterskirche. Anhand der Grabplatte Olympia Moratas befassen wir uns mit Erinnerungspraktiken.

Olympia Fulvia Morata (1526-1555) (Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=214534)

Wir stehen vor einer Grabinschrift, die an Olympia Fulvia Morata erinnert. Die italienische Dichterin und Humanistin wurde 1526 in Ferrara geboren. Ihr Vater war Lehrer der Söhne von Herzog Alfonso I. von Ferrara und unterrichtete auch die junge Olympia in lateinischer Sprache, Grammatik und Rhetorik. Später studierte sie zusammen mit der ältesten Tochter des Herzogs und erhielt so eine klassische humanistische Ausbildung. Dafür war es wesentlich, die Sprachen Latein und Griechisch zu erlernen, worin die junge Olympia eine besondere Begabung und Leidenschaft zeigte. Sie nahm an lateinischen Diskussionen teil, hielt drei Vorlesungen über eine Schrift Ciceros und schrieb griechische Gedichte. Dies sollte letztendlich dazu führen, dass Olympia als erste Frau einen Lehrauftrag an der Universität Heidelberg erhielt, und zwar als Dozentin für Griechisch. Ihr Weg nach Heidelberg war jedoch geprägt von Schicksalsschlägen. 

Nach dem Tod ihres Vaters 1548 verloren sie und ihre Angehörigen die Gunst der herzoglichen Familie. In Ferrara lernte sie den Arzt und Humanisten Andreas Grundler kennen, heiratete ihn 1550 und folgte ihm in seine Heimatstadt Schweinfurt, welche bereits kurze Zeit später (1554) belagert und zerstört wurde. Dem Ehepaar gelang zwar die Flucht, aber der gefahrenvolle Weg nach Heidelberg zerrte an Olympias Kräften. Von den Strapazen sollte sie sich nie mehr richtig erholen. Da sie auch in der Sicherheit ihres neuen Wohnortes noch an verschiedenen Krankheiten litt, war es ihr nicht mehr möglich, ihren Lehrauftrag an der Universität wahrzunehmen. Bereits im Oktober 1555 starb Olympia im Alter von 29 Jahren, vermutlich an Tuberkulose. Auch ihr Ehemann und ihr Bruder Emilio, der sie nach Schweinfurt und Heidelberg begleitet hatte, starben noch im selben Jahr im Dezember. 

Bis ins 19. Jh. befand sich um die Peterskirche herum ein Friedhof, auf dem vermutlich auch Olympia und ihre Familie beigesetzt wurden. Der Arzt Wilhelm Rascalon stiftete als Freund des Paares die vor uns befindliche Grabtafel. In diesen Teil der Kirche gelangte die Sandsteintafel dann wahrscheinlich im 19. Jh., als die sogenannte Universitätskappelle zu einer Gedenkstätte berühmter Heidelberger Gelehrter ausgebaut wurde. 

Theoretischer Zusammenhang

Erinnerung und Metatexte

Wie gehen wir als Wissenschaftler*innen an ein Objekt wie die Grabtafel Olympia Fulvia Moratas heran? Zunächst einmal widmen wir uns dem Text und übersetzen und analysieren ihn. Doch neben dem Text der Grabinschrift interessieren sich die Mitarbeiter*innen des Sonderforschungsbereichs auch für die Ausgestaltung, das Material und den Anbringungsort der Grabtafel. Gerade bei Grabinschriften spielt das Material eine zentrale Rolle, da Steininschriften auf Dauerhaftigkeit ausgelegt sind und gewisse optische Merkmale vorweisen. Beispielsweise deutet teurer Marmor auf einen gewissen Stand und Prestige der oder des Verstorbenen hin.

Weiterhin ist in Bezug auf OIympia interessant, dass ihre Grabtafel aus deren ursprünglichen Kontext entfernt wurde. Zunächst befand sich die Grabinschrift auf dem Friedhof in unmittelbarer Nähe zu den Gräbern ihrer Angehörigen, ihres Bruders und ihres Mannes. Jahrhunderte später jedoch beschlossen Universitätsangehörige, ihre Rolle als berühmte Gelehrte hervorzuheben, und stellten die Grabtafel in einem Seitenschiff der Peterskirche aus. Damit änderte sich die Erinnerungspraktik von einer hauptsächlich familiären hin zu einer öffentlichen Erinnerung. Die Idee dahinter war, an ihre Leistung als Gelehrte zu erinnern. Außerdem schwang möglicherweise ein wenig Stolz mit, dass Olympia Teil der Heidelberger Universität war. Dadurch, dass in der Peterskirche auch an andere berühmte Heidelberger Gelehrte erinnert wird, dient die Grabtafel an ihrem neuen Aufbewahrungsort schließlich auch Repräsentationszwecken.