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Sonderforschungsbereich 'Materiale Textkulturen' (933) der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Uniplatz: Gedenktafel zur Bücherverbrennung

Wir stehen vor einer Gedenktafel, die an die Zerstörung von Schrift erinnert: Es geht um die Bücherverbrennung durch die Nazis, die in Heidelberg 1933 stattfand. Dieses Mahnmal verweist auf die Bedeutung von Texten über Texte, sogenannte Metatexe.

Gedenkplatte Bücherverbrennung Universitätsplatz Heidelberg (Luftschiffhafen [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons)

In der deutschen Geschichte gibt es mit den Bücherverbrennungen im Jahr 1933 ein markantes Beispiel für die Zerstörung von Geschriebenem. Die Verbrennungen waren Teil der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“ und wurden hauptsächlich von Studenten organisiert. Als "undeutsch" galten Bücher die von politisch unliebsamen oder Autoren jüdischen Glaubens verfasst worden sind. Die Verbrennungen sollten zeitgleich am 10. Mai in 22 deutschen Universitätsstädten stattfinden, doch nicht alle Städte hielten diesen Termin ein. So konnten die Nazis auch in Heidelberg nicht rechtzeitig genügend Bücher auftreiben.  Aus Privathaushalten kamen kaum „Spenden“ und das Sortiment der Bibliotheken war ebenfalls nicht ausreichend ergiebig. Aus diesem Grund fand die Bücherverbrennung in Heidelberg erst eine Woche später, am Mittwoch, den 17. Mai und zwar genau an diesem Ort statt. Der Scheiterhaufen war eine schmale Pyramide von 4-5 Metern Höhe deren Basis 2-3 Meter im Durchmesser maß. Die Pyramide bestand aus Gerüststangen in deren Mitte Bücher, Zeitschriften und Plakate aufgeschichtet waren und die durch darauf liegende Schilder und Transparente und Fahnen vor allem kommunistischer Parteien verdeckt wurden.

Diese Verbrennung war nicht die erste: bereits im März des Jahres 1933 wurden vor dem Gewerkschaftshaus in der Rohrbacher Straße Bücher verbrannt und auch später im Jahr organisierten Jugendliche der HJ-Verbände eine weitere Verbrennung, die allerdings aufgrund strömenden Regens zunächst verschoben werden musste und schließlich am 16. Juli ebenfalls auf dem Universitätsplatz durchgeführt wurde.

Theoretischer Zusammenhang

Eine leider sehr übliche Rezeptionspraxis des Geschriebenen ist das zielgerichtete Zerstören von Schriftträgern, Texten und Zeichen. Dabei stehen wir als Wissenschaftler*innen vor einem ganz praktischen Problem: wie können wir etwas erforschen, das beschädigt ist oder gar nicht mehr existiert? Das gilt für die verbrannten Bücher vielleicht nicht so sehr, da die Werke vielfach verbreitet und auch in anderen Ländern vorhanden waren. Aber wenn wir einen Blick zurück in die Zeit vor dem Buchdruck werfen, wird das Problem deutlicher. Beispiele dafür sind die Tilgung römischer Herrschernamen von Steininschriften im Zuge der damnatio memoriae (also der Verbannung des Andenkens) oder die Bücherverbrennungen der mittelalterlichen Inquisition. Die Absichten hinter solchen Zerstörungen können allerdings auch sehr viel praktischer sein: so wurden beispielsweise Pergamente abgeschabt, um das teure Schreibmaterial wiederverwenden zu können.

Da diese Praktiken des Zerstörens von Geschriebenem keine materialen Spuren hinterlassen, sind wir für die Rekonstruktion im besonderen Maße auf Metatexte angewiesen. Unter Metatexten verstehen wir „Geschriebenes über Geschriebenes“. Mögliche Metatexte über die Bücherverbrennung 1933 sind Zeitungsartikel, Augenzeugenberichte, Flugblätter oder transkribierte Reden. Leider gibt es über die Geschehnisse in Heidelberg selbst wenig Quellen. Allerdings existiert ein Aufruf in einer Heidelberger Studentenzeitung, die eigene Büchersammlung, diejenige von Bekannten oder die der Institute von „undeutschem“ Gedankengut zu reinigen. Allerdings wissen wir auch, dass sich die Heidelberger Buchhändler weigerten, Aufforderungen zur „Säuberung“ der Buchbestände in ihren Schaufenstern aufzuhängen.

Unsere Kenntnisse der Vorgänge werden durch Textzeugnisse aus anderen Städten oder solche der zentralen Organisation ergänzt wie zum Beispiel ein Flugblatt der deutschen Studentenschaft oder die sogenannten „Feuersprüche“, die bei allen Bücherverbrennungen vorgetragen worden sind. Ein Beispiel:

Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky. 

Durch solche rituellen Handlungen sollte das Geschehen einen Symbolcharakter bekommen, um dadurch die Autorinnen und Autoren öffentlichkeitswirksam zu denunzieren.

Diese Gedenktafel, die an diese Ereignisse erinnern soll, ist schließlich ein moderner Metatext. Doch wenn Sie noch einmal einen Blick auf die Tafel aus dem Jahr 2011 werfen, sehen Sie, dass auch diese bereits abgenutzt oder möglicherweise mutwillig beschädigt worden ist.