Torbogen der Alten Universität. (Foto: Universität Heidelberg)
Das Gebäude der heutigen Alten Universität stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach der Zerstörung Heidelbergs 1693 im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Vom Beginn des 18. Jahrhunderts an bis ins Jahr 1960 fungierte es als Hauptgebäude der Universität Heidelberg. Für einen gewissen Zeitraum war hier die Universitätsbibliothek untergebracht; außerdem fanden in der Alten Aula neben Feierlichkeiten auch reguläre Vorlesungen, politische Veranstaltungen (z.B. Diskussionsrunden in der Zeit der Badischen Revolution) oder auch von Studenten privat organisierte „musikalische Übungen“ statt. Heutzutage befinden sich in der Alten Uni die Rektoratsräume, ein Senatssitzungssaal sowie das Universitätsmuseum im Erdgeschoss.
Beim Betreten der Eingangshalle vom Uniplatz aus treffen wir gleich zu Beginn auf eine schlichte, metallene Schriftinstallation. Sie zeigt das Universitätsmotto „SEMPER APERTUS“, also „Immer offen“, das aus einem Schriftzug auf dem im Hochmittelalter genutzten Rektoratssiegel übernommen wurde. Das Siegel selbst ist zwar seit dem 18. Jh. verschollen, aber in Abdrücken erhalten (FOTO). Das Siegelbild zeigt den gekrönten pfälzischen Löwen, der ein Buch hält auf dessen Buchdeckeln die Aufschrift „semper apertus“ zu lesen gewesen sein soll. Die gesamte Installation in der Alten Uni erinnert selbst an die Form eines geöffneten Buches und lädt – immer offen – dazu ein, von den Besucher*innen durchschritten zu werden.
Im ersten Stock dann befindet sich die berühmte Alte Aula. Obwohl der Raum selbst schon älter ist, entspricht die heute sichtbare Inneneinrichtung überwiegend dem Bauzustand nach einer Renovierungskampagne, die von Josef Durm in den 1880er Jahren umgesetzt wurde. Erst aus dieser Zeit stammen die vier Rundbilder an der holzvertäfelten Decke. Hier sind die damaligen Fakultäten der Universität – Theologie, Recht, Medizin und Philosophie – als Frauengestalten abgebildet. Rundherum, in einem Streifen entlang der Oberkante der Seitenwände, werden die Namen berühmter Heidelberger Universitätslehrerinnen und -lehrer aufgeführt. Diese Aufzählung setzt sich auch eine Ebene tiefer und schließlich auch mittig in jedem Feld des eisernen Brüstungsgitters der Seitengalerien fort. Vor der Mitte der Längswände ragt die Galerie in Form eines Balkons in den Raum hinein. Dort befindet sich neben Wappen und Figurenschmuck die Losung, der wir bereits am Eingang zur Alten Universität begegnet sind: „SEMPER APERTUS“.
An der oberen Kante der Wand über der Quergalerie prangt eine lateinische Bauinschrift in goldenen Lettern. Ihr gegenüber an der Stirnwand des Raumes erinnert zusätzlich eine zentral aufgestellte Büste an Großherzog Friedrich I. von Baden (1826-1907), unter dessen Herrschaft die Renovierungen zum 500-jährigen Jubiläum der Universität stattfanden und der auch auf der Fassade der Universitätsbibliothek als Bauherr genannt wird. Wie auch im Falle des UB-Gebäudes erscheint er im Dreigespann mit Universitätsgründer Ruprecht I. (14.Jh.) und Universitätserneuerer Karl Friedrich (18./19.Jh.), deren Porträts jeweils rechts und links der Büste von Lorbeerkränzen und Putten gerahmt werden.
Die Hauptfläche der Stirnwand wird durch das Ölgemälde „Die Gründung der Universität Heidelberg“ eingenommen, das 1886 von Ferdinand Keller angefertigt worden ist. Es zeigt den Einzug der Athene in die Stadt, in der Ruprecht I. vor der Kulisse des Heidelberger Schlosses thront. Vor den Pferden ihres Streitwagens laufen zwei Jungen, die die hellblaue Flagge Badens sowie die schwarz-weiß-rote Fahne des Deutschen Reiches tragen. Ihre Bekleidung ahmt mittelalterliche Mode nach und macht sie damit zu anonymen Symbolfiguren, die im Gegensatz zu der Figurengruppe hinter Athenes Wagen stehen. Die dort schreitenden Männer tragen nämlich zeitgenössische Gewänder und stellen reale historische Persönlichkeiten dar, die zu ihren Lebzeiten eine Verbindung zur Heidelberger Universität hatten.
Am Beispiel der Alten Universität lässt sich ein Grundgedanke vieler Projekte des Sonderforschungsbereichs verdeutlichen, die sich mit der Einbindung von beschriebenen Objekten in ihre Umgebung beschäftigen. Eine mögliche Forschungsperspektive auf Schrift in Städten ist die Topographie, die räumliche Gegebenheiten beobachtet und kartiert. Die Topologie geht dann einen Schritt weiter und fragt danach, auf welchen Wegen und auf welche Weisen bestimmte Gruppen von Menschen mit bestimmten Artefakten in Berührung kommen können. Insbesondere diese zweite Perspektive auf Schriftartefakte ist für den Forschungsverbund interessant, da sich erst nach einer topologischen Untersuchung weitere Fragen, wie zum Beispiel solche nach der Präsenz von bestimmten Objekten beantworten lassen.
Schauen wir uns nun also das Beispiel an und fragen nach der Einbindung der Alten Universität und der Alten Aula in das moderne Universitätsleben. Eine rein topographische, also die Raumsituation beschreibende, Analyse zeigt, dass die Alte Universität gut zugänglich am Universitätsplatz und zentral in der Heidelberger Altstadt liegt. Verschiedene Institute und Fakultäten sind rundherum zwischen Bismarckplatz und Karlstor über die Altstadt verteilt. Man könnte also vermuten, dass die Aula im Kern eines der ältesten Universitätsgebäude auch praktisch und symbolisch ein wichtiger Teil der Selbsterfahrung aller Universitätsmitglieder ist.
Erst die topologische Perspektive macht dann aber sichtbar, dass sich durch die Ansiedlung des Rektorats im Gebäude der Alten Universität sowie die Verteilung des laufenden Lehrbetriebs über verschiedene andere Hörsäle für die meisten Studierenden selten ein universitärer Grund zum Besuch der Alten Aula bietet. Die Repräsentativwirkung der goldenen und gusseisernen Lettern in der prächtig gestalteten Aula wird sich somit mit höherer Wahrscheinlichkeit vor allem gegenüber auswärtigen Besucherinnen und Besuchern des Unimuseums oder universitären Amtsträgern entfalten, und weniger von der Mehrheit der studentischen Mitglieder der Universität wahrgenommen werden.